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Wer raucht denn heute eigentlich noch Pfeife?

Inmitten des brutalen Tohuwabohus des Filmes The Expendables gibt es eine Szene, die überraschend still, ja fast meditativ wirkt. Mickey Rourke sitzt in einem Raum, eingehüllt in blaues Licht, vor einer weiß lackierten Gitarre. Mit schwarzer Farbe malt er filigrane Ornamente auf den Korpus, zieht zwischendurch genüsslich an seiner Pfeife, und für einen kurzen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Da taucht Sylvester Stallone im Hintergrund auf, doch Rourke bleibt in seinem eigenen Rhythmus, fast melancholisch, wie in Gedanken versunken. Kein Lärm, kein Chaos, keine Explosionen – nur der feine Rauch der Pfeife und die konzentrierte Stille des Augenblicks. Die Pfeife ist mehr als ein Accessoire; sie wird zum Symbol für Entschleunigung, für Achtsamkeit in einer Welt, die sonst nur Action kennt. Jeder Zug, jeder Strich mit der Farbe wirkt meditativ, fast ritualisiert, und kontrastiert die sonstige Härte des Films auf eindrucksvolle Weise.

Diese Szene brachte uns auf eine interessante Frage: Wer raucht eigentlich heute noch Pfeife? Um das herauszufinden, machten wir uns auf den Weg in die Münchner Innenstadt – zu Pfeifen Huber, einem Traditionshaus, das seit 1863 die Handwerkskunst des Pfeifenrauchens pflegt und bis heute Liebhaber aus aller Welt anzieht.

​Vom „braunen Gold“ nach Europa

Als Christoph Kolumbus auf seiner Suche nach Gold die „Neue Welt“ betrat, machte er eine andere, folgenreiche Entdeckung: Tabak. Die Menschen, die er dort traf, rauchten Blätter, die in langen Pfeifen glühten – „wie Schornsteine“, notierten Chronisten später. Fasziniert von dieser exotischen Kuriosität, brachte Kolumbus das „braune Gold“ nach Europa. Rasch wurde Tabak zu einem begehrten Genussmittel. In Holland entstanden die ersten Tonpfeifen, während in den Alpenregionen kunstvoll geschnitzte Holz- und Porzellanpfeifen beliebt waren. Aus einem fremden Ritual wurde ein Wirtschaftszweig – und schließlich eine eigene Kultur.

In München knüpfte Johann Nepomuk Huber 1863 an diese Tradition an. Der Drechslermeister fertigte Pfeifen zunächst für sich selbst, doch bald entstand daraus ein Geschäft, das bis heute Bestand hat: Pfeifen Huber in der Münchner Altstadt. Über Generationen hinweg entwickelte sich hier eine Anlaufstelle für Pfeifenraucher, die bis heute Pfeifen, Tabake und Zigarren aus aller Welt bietet – ergänzt durch hauseigene Mischungen und eine Werkstatt, die die Handwerkstradition fortführt.

​Pfeifenarten – Formen, Materialien, Stil

Eine Pfeife ist weit mehr als ein Rauchgerät – sie ist Ausdruck von Persönlichkeit. Und ihre Vielfalt ist enorm:

  • Billiard: der schlichte Klassiker mit geradem Holm, unkompliziert und zeitlos.
  • Bent: mit gebogenem Mundstück, das angenehm in der Hand liegt und entspannter im Rauchzug ist.
  • Lesepfeife: mit besonders langem, gebogenem Holm. Der Rauch kühlt stärker ab, die Pfeife hängt bequem aus dem Sichtfeld – ideal beim Lesen oder Schreiben.
  • Churchwarden: sehr lang, beinahe märchenhaft. Die große Distanz vom Kopf zum Mundstück sorgt für ein besonders kühles Raucherlebnis.
  • Freehand: kleine Kunstwerke, individuell geschnitzt, oft Unikate, die so viel Skulptur wie Gebrauchsgegenstand sind.
  • Meerschaumpfeifen: aus dem weichen Mineral Meerschaum, berühmt für die feine Filterung des Rauchs und ihre Verfärbung beim Gebrauch.
  • Bruyère-Pfeifen: seit dem 19. Jahrhundert die häufigste Variante, gefertigt aus der Wurzelknolle der Baumheide. Bruyère ist hitzebeständig, leicht und langlebig.

Jede Form verändert das Raucherlebnis: kurze Pfeifen wirken intensiver und direkter, lange und gebogene Modelle erzeugen milden, kühlen Rauch.

​Die Welt der Tabake – Grundtabake und Geschmacksrichtungen

Die Kunst des Pfeiferauchens hängt untrennbar mit der Auswahl des Tabaks zusammen. Bei Pfeifen Huber findet sich eine Bandbreite, die von mild bis intensiv reicht.

Grundtabake:

  • Virginia: hell bis goldgelb, süßlich und fruchtig im Geschmack. Grundlage vieler Mischungen.
  • Burley: nussig, erdig, leicht herb, oft als Fülltabak genutzt.
  • Latakia: durch Rauch über Holzfeuern getrocknet, intensiv, teerig-rauchig, das „Schwarzbrot“ unter den Tabaken.
  • Orientalische Tabake: kleinblättrig, würzig, oft mit exotischen Noten.
  • Perique: eine Spezialität aus Louisiana, fermentiert, sehr stark und pfeffrig – fast immer nur in geringen Anteilen verwendet.
Pfeife und eine Tabakdose

Geschmacksrichtungen:
Die Tabake können naturbelassen sein oder in Mischungen ganz neue Aromen entfalten – von mild und süßlich über nussig und würzig bis hin zu dunkel-rauchig. Viele Mischungen vereinen mehrere Grundtabake, um Harmonie und Tiefe zu schaffen.

​Aromatisierung, Verpackung, Feuchtigkeit

  • Aromatisierung: Viele Mischungen sind mit Vanille, Kirsche, Honig, Rum oder Schokolade verfeinert. Diese Aromaten machen den Rauch süffiger und sind oft der Einstieg für Neulinge.
  • Verpackungsformen: Pfeifentabak gibt es als lose Ware in Dosen und Beuteln oder gepresst als Flake, Plug oder Twist. Die Form beeinflusst, wie gleichmäßig er brennt und wie intensiv er schmeckt.
  • Feuchtigkeit: Tabak darf weder zu trocken noch zu feucht sein. Ist er zu trocken, brennt er heiß und scharf; ist er zu feucht, lässt er sich schwer entzünden. Die richtige Balance ist entscheidend für Genuss und Aroma.

​Pfeifenraucher heute

Heute ist die Pfeife eine Nische. Sie gehört nicht zum Massenkonsum, sondern zum bewussten Ritual. Pfeifenraucher sind oft Individualisten: Menschen, die Achtsamkeit suchen, die ein Gegengewicht zum Tempo der Gegenwart schätzen. Eine Pfeife verlangt Zeit: Tabak wählen, stopfen, entzünden, genießen – ein Vorgang, der entschleunigt.

Die Szene mit Mickey Rourke in The Expendables bringt das Bild auf den Punkt: Pfeifenrauchen bedeutet Gelassenheit – ein kleines, stilles Ritual, das bis heute fortbesteht. Zwischen Tabak, Holz und Rauch lebt diese Tradition weiter: leise, aromatisch und stilvoll.

Bilder: Pfeifen Huber