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Kann das weg? Leichter leben mit weniger Dingen

Wir leben im Zeitalter des Überflusses. Wir können von allem so ziemlich alles haben und das meistens sogar sofort: Essen, Kleider, Möbel, Deko, Filme, Bilder, Nachrichten, Elektrogeräte, Fitnessangebote, Ratgeber, Gespräche, ja sogar Freunde und Bekannte en masse. Die Aufzählung könnte man nahezu unendlich fortsetzen. Die Digitalisierung treibt das Angebot und die Verfügbarkeit von greifbaren Dingen, aber auch von Unterhaltungs-“Gütern“ zusätzlich voran. Die neuen Schuhe, die nächste Folge einer TV-Serie, der nächste Roman – alles ist nur einen Klick weit entfernt und wird oftmals sogar innerhalb weniger Sekunden oder weniger Tage geliefert. Massenproduktion und schneller, möglichst globaler Vertrieb sind die Basis der Weltwirtschaft und beherrschen daher ganze Gesellschaften. Doch ein jedes beherrschende System hat auch immer seine Gegenbewegung und die trägt heute unterschiedliche Namen, z.B. Minimalismus, Downshifting oder einfacher gesagt: ausmisten, aufräumen, wegschmeißen.

Ein „clean desk“ hilft im Arbeitsbereich, sich nicht ablenken zu lassen.
Foto: Pixabay

Wo erzwungener Verzicht regelrechtes Leid auslösen kann, kann bewusster Verzicht zur Erlösung werden. Denn die vermeintlich so erstrebenswerten Konsumgüter erzeugen einen ungeheueren Druck. Man kann (oder muss) noch besser aussehen, noch mehr Kicks erleben, noch mehr Länder gesehen haben usw. An allen Ecken und Enden werden wir mit Werbung zugeballert, die uns weißmachen will, wie begehrenswert all diese Dinge sind und wie glücklich wir uns mit ihnen fühlen werden. Zudem entsteht Druck durch die Social Media, auf denen schließlich was Aufregendes gepostet werden muss, aber auch im Austausch mit Freunden mag keiner zu den Langweiligen oder Uninformierten gehören. Also wird noch mehr getan und gekauft, so hat man auch immer was zu erzählen und vorzuzeigen.

Doch was wir nicht haben, ist Zeit. Denn die ist uns auf der Jagd nach den neusten Dingen und Erlebnissen abhanden gekommen. Und das nicht nur, weil wir einen stressigen Job, eine anstrengende Familie oder anspruchsvolle Freunde haben, sondern weil wir einfach mit diesem riesigen Angebot an Dingen bombadiert werden, die begutachtet, gejagt und konsumiert werden wollen. Aber immer mehr Menschen merken, dass sie diese Hetze nach schönen Dingen, nach Perfektion einfach nicht glücklich macht, ja, dass sie genau das eigentlich unglücklich macht. Viele machen diese Erfahrung erst unter schmerzhaften Bedingungen, dann wenn der Burnout sie ausbremst und sie sich inmitten all ihrer schönen Dinge leer und depressiv fühlen.

Spätestens dann kann die bewusste Besinnung auf die wenigen wichtigen Dinge im Leben heilsam sein. Und damit der Blick auf das, was wichtig ist, nicht verstellt bleibt, hilft das Ausmisten von allem Unnötigen. Viele Minimalismus-Ratgeber empfehlen beim Aufräumen nach bestimmten Mustern zu verfahren und auch bestimmte Einstellungen dazu zu kultivieren. Allen gemeinsam ist dabei, dass sie raten bei weniger wichtigen Dingen anzufangen und sich zu den immer bedeutsameren hinzuarbeiten. Loslassen muss und kann man auch lernen und die Bereitschaft ein sinnlos gewordenes Erinnerungsstück „gehen zu lassen“ steigt, wenn man zuvor schon gemerkt hat, wie erleichternd es ist, sich beispielsweise von Kleidungsstücken zu trennen.

So sollten Schränke aussehen, bovor man sie wieder mit den Sachen befüllt, die den „Wichtigkeits-Test“ bestanden haben.
Foto: Pixabay

Zum methodischen Entrümpeln gehört auch, dass man den Platz, den man ausmistet, einmal komplett leer räumt und ihn anschließend einmal gründlich sauber macht. Das mag etwas esoterisch klingen, hat aber auch ganz praktische Aspekte. Zum einen natürlich, dass man an manchen Orten selten umfangreich putzt, sondern immer nur scheibchenweise, weil man Dinge hin und her räumt, um an die Flächen zu kommen. Zum anderen macht das Säubern einem bewusst startklar für einen Neuanfang. Nach dem Putzen entscheidet man dann, welche Dinge man behält. Diese entstaubt oder wäscht man ebenfalls, bovor sie zurück an ihren Platz kommen. Der Rest wird entsorgt, verschenkt oder gespendet.

Wer die Kunst des Minimalismus erst mal erlernt hat, wird auch nicht bei Dingen und Konsumgütern haltmachen, sondern auch seine Ess-, Verhaltens- und Kommunikationsweisen sowie seine Beziehungen anfangen zu hinterfragen. Minimalismus sollte nicht bei reinen Äußerlichkeiten stehen bleiben, das ist genau das, worum es NICHT geht. Es geht darum zu einer eigenständigen Entscheidung darüber zu kommen, was einem wichtig ist, was einem gut tut. Zu erkennen, dass man mehr Zeit hat für das, was einem wirklich was bedeutet, wenn man sich nicht um all die tausend Dinge kümmern muss und auch nicht um die Meinung anderer. Ein minimalistisches Leben ist entschleunigt und richtet die Achtsamkeit auf die wenigen Dinge und Geschehnisse, die man wirklich braucht. So stellt sich dann auch Dankbarkeit für diese ein und die Leichtigkeit, sich ohne all den Ballast des Konsums wohl zu fühlen.

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