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Digitale Nomaden – Reisen statt Büro

Die Zeiten, in denen man sein komplettes Arbeitsleben bei ein und demselben Arbeitgeber verbracht hat, sind ja schon lange vorbei. Aber dass man nicht nur den festen Arbeitgeber, sondern auch die feste Wohnung bereitwillig aufgibt, ist eine relativ neue Erscheinung. Digitale Nomaden nennen sich die meist jungen Menschen, die sich an (fast) nichts mehr binden wollen, sondern vor allem frei sein wollen und ihr Leben mehr durch Erlebnisse denn durch Karriere-Erfolge bereichern möchten.

Weil aber ohne Geld nichts geht, sind sie meist auf zwei Dinge unbedingt angewiesen: Ein leistungsfähiges Notebook und Internetanschluss. Denn wer reist und gleichzeitig sein Geld verdienen muss, kann das auf Dauer nur mit einem Job, der im weitesten Sinne etwas mit dem Internet zu tun hat, sei es als IT-Berater, Webdesigner, Online-Shop-Betreiber, Blogger oder was sich sonst noch so online anbieten lässt. Das Ziel besteht dabei auch nicht darin durch die Arbeit möglichst viel, sondern eher möglichst schnell Geld zu verdienen – schnell genug, um das Leben unterwegs genießen zu können.

Junge Frau in Abflughalle
Die Welt als Arbeitsort: digitale Nomaden zieht es immer wieder in andere Länder und Städte.

Die meisten digitalen Nomaden teilen eine konsumkritische Einstellung. Statussymbole wie Autos, schicke Wohnung und teuere Kleidung sind ihnen gleichgültig, sie würden das Reisen auch nur erschweren. Der Wert der persönlichen Freiheit ist für viele von ihnen so hoch, dass sie sich auch keinem bestimmten Land mehr im bürgerlichen Sinne verbunden fühlen. Auch langfristige Beziehungen und Familienplanung stehen bei digitalen Nomaden nicht gerade hoch im Kurs. Allerdings ist die Verbundenheit innerhalb der Community der digitalen Nomaden groß und man hilft sich auch gegenseitig mit Tipps fürs Reisen und Arbeiten.

Damit bilden die digitalen Nomaden die Speerspitze eines Wertewandels, der bei vielen jungen Menschen zu beobachten ist. Auch wenn ältere Semester die Jugend als extrem konsumorientiert empfinden, gibt es auch gegenläufige Trends. Das zeigt sich z.B. darin, dass ein eigenes Auto für viele Twens heute nicht mehr erstrebenswert ist und man sich bereitwillig mit Carsharing-Modellen behilft. Und auch teure Kleidung wird immer öfter eher ausgeliehen als dass man sie sich kauft.

Auch unter Menschen in ihren 30ern und 40ern gibt es ein zu den digitalen Nomaden vergleichbares Phänomen, nämlich die Bestrebung, so früh wie möglich „in Rente“ zu gehen, sprich ein Leben ohne feste oder gar ganz ohne Beschäftigung anzustreben. Mit „Financial Independence, Retire Early“ (FIRE) umschreibt die Bewegung ihr Ziel fianziell unabhängig und früh im Ruhestand zu sein. Dafür leben die Anhänger der FIRE-Bewegung während der erhofft kurzen erwerbstätigen Phase ihres Lebens – aber oft auch danach – extrem sparsam, um einen möglichst großen Teil ihres Einkommens für später zurücklegen zu können. Kritiker werfen der FIRE-Bewegung vor, dass sie zwar selbst zu Konsumverzicht bereit sind, dafür aber oft Geldanlagemodelle wählen, die nur durch Anheizen des Konsums funktionieren können.

Junger Mann arbeitet am Notebook
Wenig Gepäck aber viel Power im Notebook: So reisen und arbeiten digitale Nomaden.

Doch zurück zu den digitalen Nomaden. Reisen und online arbeiten sind für sie wichtig und danach richtet sich auch oft das Ziel ihrer Reisen. Länder mit lockeren Aufenthaltsbestimmungen, niedrigen Lebenshaltungskosten und mit guter digitaler Infrastruktur sind ihre bevorzugten Destinationen. Deshalb halten sich viele der Internet-Nomaden in Thailand, auf Bali, in bestimmten mittel- und südamerikanischen Ländern sowie in Südafrika oder Osteuropa auf.

Die Einstellungen der digitalen Nomaden klingen zunächst einmal sehr positiv und entspannt. Doch man kann diese Form des Lebens und Arbeitens durchaus auch kritisch sehen. So kursieren unter den Nomaden viele Tipps, wie man Steuern sowohl im Heimat- als auch im Reiseland umgehen kann. Zudem hat es schon auch etwas nahezu Zynisches an sich, sein Geld aus wohlhabenden Ländern zu beziehen, um ein möglichst angenehmes Leben in einem Zweit- oder gar Drittweltland zu führen, wohlwissend dass auch in armen Ländern viele auf Online-Jobs angewiesen sind, mit denen man dort jedoch nur Hungerlöhne verdienen kann. Auch die Ungebundenheit der digitalen Nomaden hat ihre Schattenseiten, denn wer sich keinem Ort verbunden fühlt und sich nicht dauerhaft dort aufhält, gibt diesem weder in Form von Engagement, noch Geld (siehe Steuervermeidung) etwas zurück.

Wie dem auch sei, der Trend des digitalen Nomadentums besteht und begeistert viele junge Menschen. Und wer weiß, wie viele von ihnen diese Lebensform langfristig oder dauerhaft führen. Nichtsdestotrotz zeigt das digitale Nomadentum deutlich, dass durch die Digitalisierung neue Erwerbs- und Lebensformen möglich sind, die auch soziale Auswirkungen weltweit haben können.

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